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Psychische Erkrankungen im Alter und Verwirrtheitszustände / Gerontopsychiatrie

Häufig und vielfältig, jedoch viel zu häufig nicht sofort bemerkt.

 

Älter zu werden, ist nicht immer einfach. Das Leben wird schwerer, der Körper spielt nicht mehr richtig mit und dann gibt die liebe Seele keine Ruh. Bei den über 65-Jährigen sind etwa 25 % der Menschen von unterschiedlichsten psychischen Erkrankungen betroffen. Oft bleiben diese Störungen jedoch lange Zeit unbemerkt, denn den Betroffenen ist es unangenehm und sie scheuen sich, seelische Probleme den Angehörigen oder dem Arzt mitzuteilen. Niemand möchte als wunderlich oder gestört abgestempelt oder in die Altersschublade gesteckt werden. Also reißt man sich zusammen, dabei ist der eigene Leidensdruck oft immens hoch. Ist die Erkrankung ausgeprägter, steigt häufig auch die Belastung der Mitmenschen.

Nicht selten stecken hinter körperlichen Gebrechen und Krankheiten psychische Störungen, die Krankheitsdauern nehmen zu oder man leidet gleichzeitig an mehreren Krankheiten. Hinzu kommen Verlustsituationen auf unterschiedlichen Ebenen, vom Job bei Renteneintritt über den Wegfall von eigenen Fähigkeiten, bis hin zum Tod von lieben Menschen, die das Leben aus den Fugen geraten lassen. Dies alles können Auslöser für psychische Störungen sein.

Psychische Erkrankungen sind in ihrer Entstehungsweise, Ausprägung und Behandlung lebenslang nahezu vergleichbar, unabhängig davon, ob sie jüngere oder ältere Menschen betreffen. Die häufigsten psychiatrischen Erkrankungen im höheren Alter sind Depressionen, Demenzerkrankungen, Angststörungen und Suchterkrankungen wie Alkoholabhängigkeit und Medikamentenmissbrauch. Diese Krankheitsbilder gehören zu unseren Behandlungsschwerpunkten und sind dort detailliert beschrieben. 

Neben den genannten Erkrankungen kommen mit zunehmendem Alter Zustände der akuten oder schleichenden Verwirrung hinzu, auf die wir hier detailliert eingehen.

Bis gestern noch war alles selbstbestimmt, die betroffene Person hat nahezu ohne Hilfe gelebt – jetzt mit einem Mal ist alles anders. Mit einer Krankheit oder einem Aufenthalt im Krankenhaus hat sich der Mensch verändert, er ist akut verwirrt, sein Bewusstsein ist durcheinander, ebenso wie die Orientierung. Diese plötzlichen Verwirrtheitszustände, auch Delir bzw. delirantes Syndrom genannt, treten häufig im Alter auf. Die Person ist, bildhaft abgeleitet von dem lateinischen Wortstamm, „aus der Spur“ geraten. Ausgelöst wird ein Delir durch organisch bedingtes Fehlen von bestimmten Botenstoffen im Zentralnervensystem, wichtige Signale können nicht mehr weitergeleitet werden.

Verwirrheitsbilder sind gerade für Angehörige häufig schwer einzuordnen. Die ihnen wohlbekannten Menschen sind plötzlich völlig verändert in ihrem Auftreten und Wesen, die Persönlichkeit ist nicht mehr die alte.

Unter die Verwirrtheitszustände fallen insbesondere die deliranten Syndrome, eine akute Verwirrtheit mit körperlichen Ursachen. 30 bis 60 % der deliranten Syndrome werden in der Regel nicht als solche erkannt und diagnostiziert. Etwa 30 % werden durch den Einsatz verschiedener Arzneimittel gegen mehrere Erkrankungen (Multimedikation) ausgelöst. Bleibt ein Delir unerkannt und unbehandelt, kann das schwere Folgen nach sich ziehen, aus der akuten Verwirrtheit kann eine dauerhafte geistige Beeinträchtigung werden. Wichtig ist auch für Angehörige, bei Verwirrtheitserscheinungen sofort zu reagieren und den Arzt aufzusuchen. Gerade bei älteren Menschen wird ein Delir häufig als allgemeine altersbedingte Verwirrtheit fehlgedeutet.

Ursache von akuten Verwirrteitszuständen können Gehirnerkrankungen oder grundlegende körperliche Erkrankungen sein. Man unterscheidet hyperaktive Delire, bei denen die Betroffenen übererregt, unruhig oder gar aggressiv sind und die deutlich schwerer zu diagnostizierenden hypoaktiven Delire, die durch Verlangsamung, Ruhe oder Apathie der Patienten gekennzeichnet ist.

Bei den organischen Persönlichkeitsstörungen kann es sich um eine Veränderung des Verhaltens, eine Rest- oder Begleiterscheinung einer Krankheit, eine Schädigung oder eine Funktionsstörung des Gehirns handeln.

Die folgenden Merkmale können Zeichen eines deliranten Syndroms/Delirs (Verwirrtheitszustandes) oder einer organischen Persönlichkeitsstörung (Wesensänderung) sein und helfen, diese Erkrankungen frühzeitig zu erkennen.

Anzeichen für einen akuten Verwirrtheitszustand / Delirantes Syndrom:

  • Unklare Zeit- und Umgebungswahrnehmung bis hin zum Verlust der Orientierung
  • Geminderte Denk- und Gedächtnisstörung
  • Antriebsarmut bis zum Dämmerzustand
  • "Durchgangssyndrom" – akute Bewusstseinsstörung nach einer Operation oder intensivmedizinischen Behandlung. Es kommt zu einer globalen Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit mit zumeist schnellem Beginn und Verlauf mit raschem Symptomwechsel, sowie Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus. Die Reaktionszeit ist verlängert, es kann eine deutliche Schreckhaftigkeit auftreten. Vegetative Symptome, wie Herzrasen, Herzbeschwerden, Bluthochdruck, Unruhe, Zittern, vermehrtes Schwitzen, Übelkeit, und erhöhte Körpertemperatur können ebenfalls vorkommen.

Anzeichen bei hypoaktiven Formen der akuten Verwirrtheit:

  • Rückzug
  • Körperliche Funktionsstörungen
  • Mangelnde Mitteilung von Ängsten
  • Ggf. Halluzinationen

Anzeichen von organischen Persönlichkeitsstörungen:

Die Betroffenen zeigen, verglichen mit der Zeit vor der auslösenden organischen Erkrankung, eine auffällige Veränderung des Verhaltens, Denkens und Fühlens. Äußerungen von Bedürfnissen und Impulsen erfolgen, ohne mögliche Konsequenzen einzubeziehen. Das neue Verhalten kann außergewöhnlich herausfordernd sein, inklusive des Sexualverhaltens. Die Fähigkeit, Signale aus der Umgebung aufzunehmen, muss jedoch nicht unbedingt auffällig gestört sein.

Häufig treffen bei Patienten dieser Erkrankungsgruppe folgende Parameter zu:

  • Das Alter ist über 65, männliches Geschlecht
  • Vorbekannte Demenz, je schwerer, desto höher das Risiko
  • Eine bestehende Depression
  • Alkohol- oder Medikamentenabhängigkeit
  • Gleichzeitiges Bestehen von mehreren Krankheiten, von Brüchen und Traumata
  • Einschränkungen des Sehens und Hörens
  • Einschränkungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens, Immobilität
  • Anwendung verschiedener Arzneimittel gegen mehrere Erkrankungen (Multimedikation)
  • Mangelernährung und Mangel an Flüssigkeitsaufnahme
  • Umgebungswechsel und Schlafmangel

Um es nicht zu Verwirrtheitszuständen kommen zu lassen, ist die schnelle Mobilisation nach Operationen oder intensivmedizinischen Behandlungen wichtig, die Patienten müssen genug und regelmäßig trinken und essen, der Schlaf muss verbessert werden , falls erforderlich, ist eine adäquate Schmerztherapie anzusetzen und eine Multimedikation ist durch gezielte Arzneimittelabstimmung zu vermeiden. Um eine Orientierung zu ermöglichen, müssen Brillen und Hörgeräte auch im Krankenhaus zur Verfügung stehen. Zusätzlich ist es hilfreich, wenn Bezugspersonen und Räumlichkeiten möglichst gleich bleiben.

Wichtiger Bestandteil der Diagnose ist die Früherkennung, denn je eher eine Verwirrtheit erkannt wird, desto höher liegen die Chancen der Umkehrbarkeit und Genesung. Sobald Angehörige oder Pflegende bei einer betroffenen Person die Verhaltens- und Wesensänderung bemerken, muss der Arzt informiert werden, denn Verwirrtheitszustände sind immer ein Notfall. Nachdem anhand verschiedener Fragen die Verwirrtheit geklärt ist, muss die Ursache dafür diagnostiziert werden. Hier setzt unser Spezialisten-Team auf verschiedensten Ebenen an und führt unterschiedlichste Untersuchungen des Blutes durch, prüft neurologische Ausfälle, ggf. EKG. Je nach vermuteter organischer Ursache können Computer- oder Magnetresonanztomographie (CT und MRT), Elektroenzephalographie (EEG), Ultraschalluntersuchung oder eine Untersuchung des Hirnwassers folgen. Sind organische Ursachen ausgeschlossen, folgen psychiatrische Untersuchungen.

So verschieden wie die Ursachen einer Verwirrtheit ist auch die Behandlung. Unser interdisziplinäres Team an Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten erarbeitet für jeden Betroffenen das individuell passende Behandlungskonzept. Bei Flüssigkeitsmangel erfolgt die entsprechende Zufuhr an Nährstoffen, liegen die Ursachen beispielsweise in einer Medikationsnebenwirkung, erfolgt durch unsere Spezialisten die Analyse und Umstellung. Zunächst gilt es, die organischen Ursachen erfolgreich zu behandeln.

Gerade während des akuten Psychosensyndroms kümmert sich unser Team mit intensiver Aufmerksamkeit um den Betroffenen. In dieser Phase können Verwirrte nicht nur extrem erregt sein, sondern sich bzw. andere auch verletzen (z. B. Katheter selbst entfernen). Hier mindern wir den akuten Situationsstress und fangen die kritische Entwicklung der Lage durch eine Kriseninterventionstherapie ab. In dieser Situation ist besondere Zuwendung und Aufmerksamkeit wichtig, die wir in einer guten essenziellen Milieutherapie mit möglichst gleichbeleibenden Bezugspersonen umsetzen. Die Patienten werden aktiv und ruhig angesprochen, erfahren ein Orientierungstraining und einen strukturierten Tagesablauf in ruhiger und reizarmer Umgebung. Das optimale Behandlungsumfeld ergänzen wir durch Medikamente, die z. B. Affekthandlungen oder Schlafmangel unterbinden können, ggf. erfolgt danach eine Erhaltungstherapie, um den Zustand zu stabilisieren.

Wichtig ist uns die Betrachtung und Einbeziehung von Begleiterkrankungen. Sie sind ein häufiger Grund, warum Verwirrtheitszustände im Alter auftreten oder sich der Gesundheitszustand mit ersten psychiatrischen Symptomen verschlechtert. Daher besteht hier unsere umfassende Diagnostik sowohl aus neuro-psychiatrischem als auch internistischem Blickwinkel, um die notwendigen Behandlungschritte schnell und sinnvoll einzuleiten.

Ein akutes Delir hat gute Heilungschancen, wichtig ist die sofortige Erkennung und der Therapiebeginn. Verzögerungen vermindern die Wahrscheinlichkeit der Genesung. Manche Symptome bessern sich erst nach Wochen oder Monaten. Aus einem Delir kann sich jedoch auch eine chronische Funktionsstörung des Gehirns entwickeln. Bei positivem Verlauf der Behandlung erholen sich die meisten Menschen jedoch vollständig.

In unseren gerontopsychiatrischen Einrichtungen behandeln wir ältere Patienten ab etwa 65 Jahre mit psychischen und körperlichen Erkrankungen. Unsere Therapien durch multiprofessionelle Teams haben das Ziel, die körperlichen und geistigen Fähigkeiten der Patienten zu verbessern oder möglichst gut zu erhalten. Dabei verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz, indem wir psychische, körperliche, aber auch soziale und biografische Elemente berücksichtigen, welche die Erkrankung beeinflussen können.

Wir fördern die Kompetenz im Alltag, um eine bestmögliche Selbstständigkeit und damit die Lebensqualität zu erhalten. Bei unserern Therapien, die stationär, teilstationär und ambulant erfolgen können, beziehen wir Angehörige und andere Bezugspersonen mit ein.

Es ist das schleichende Vergessen, das viele Menschen im Alter betrifft. Häufig ist zu Beginn der Krankheit das Kurzzeitgedächtnis eingeschränkt und des Merken fällt schwerer. Je früher erste Signale erkannt werden, desto eher können wir mit unseren spezialisierten Teams in die Diagnose einsteigen und im positiven Fall die Lebensqualität für Sie und Ihre Angehörigen durch frühzeitige Therapie verbessern.

Die Stiftung Tannenhof ist mit ihren verschiedenen Standorten und Kliniken der regionale Spezialist in der Demenzbehandlung. Unsere Zentren und Spezialeinheiten sind mit allen Phasen der Krankheit vertraut und behandeln nach modernen wissenschaftlichen Methoden, um Ihnen bestmögliche Hilfe und Unterstützung zu bieten.

Detaillierte Informationen finden Sie in unserem Schwerpunkt Demenz.

 

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Prof. Dr. Eugen Davids

Ärztlicher Direktor und leitender Arzt der Abteilung Psychiatrie 1
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Abhängig von der Diagnose bieten wir Therapien an verschiedenen Standorten an